17 Years Old - Part II

Sa 17.10.2009 * 23:00
Distillery
Kurt-Eisner-Straße 108a
04275 Leipzig
Deutschland

Line-Up:
Microglobe - Live (Mijk van Dijk, Berlin)
Tanith (Berlin)
Markus Welby (hoerfunk, Distillery, Melt!-Festival, Leipzig)
Josh (City Trax, Leipzig)



Beschreibung zur Veranstaltung:
17 Jahre sind eine lange Lebenszeit für einen Club. Wer sich einmal
mit den Geburts- und v.a. den Todesanzeigen von nationalen und
internationalen Clubs beschäftigt hat, weiß das. 20 Jahre Techno sind
eine lange Zeit für ein vorübergehendes Phänomen, einen so genannten
Trend oder eine Mode. Genau deshalb können wir heute konstatieren,
dass alle, die davon ausgingen, dass es sich bei Techno um etwas
solches handeln würde, falsch lagen.Sowohl Techno als auch die
Distillery haben sich zu Institutionen entwickelt. Damit sind keine
starren, unbeweglichen und schwerfälligen Gebilde gemeint, sondern
sich stets in Entwicklung und Veränderung befindliche Schöpfungen.
Diese Feststellung drängt geradewegs dazu, eine kleine Reise in die
Vergangenheit zu unternehmen, die sich sicher nicht nur für alle
lohnen wird, die vor 20 Jahren noch zu grün hinter den Ohren waren, um
diese für den neuen Sound zu öffnen, sondern auch für jene, die damals
sofort infiziert wurden vom neuen Virus namens Techno.

Als unbestrittene Vorreiter des Sounds gelten Kraftwerk aus
Düsseldorf, die mit ihrem vierten, 1975 veröffentlichten Album
"Autobahn" direkt in die US-amerikanischen Hitlisten einstiegen und
von da an bis heute viele Künstler weltweit inspirieren. Es folgten
u.a. Jean-Michel Jarres Erfolgsalbum "Oxygéne", sowie der Hit "I feel
Love" den Giogio Moroder 1977 für Donna Summer produzierte.

Der Begriff Techno taucht in Europa erstmalig 1982 in einem
Plattenladen unter dem Frankfurter Hauptbahnhof auf, wo Andreas
Tomalla (alias Talla 2XLC) die Schallplatten mit elektronisch
produzierter Musik in eine eigenständige Kategorie sortiert, die er
als Techno bezeichnet. Dort finden sich Platten von Kraftwerk, Depeche
Mode, von Künstlern aus den Bereichen EBM, New Wave, Industrial, aber
auch Detroit Techno. Viele dieser Artists der ersten Stunde waren
musikalische Science Fiction-Autoren ? thematisch wie auch klanglich
zeichneten sie Zukunftsvisionen vom post-industriellen und städtischen
Zerfall, von emotionaler Kälte oder verarbeiteten ihre Ängste vor
atomaren Katastrophen. Mit Hilfe moderner Technologie wiesen sie auf
die Gefahren derselben hin.

In den 1980er Jahren erscheint ein neuer Sound auf der Bildfläche:
House-Music, deren Ursprünge v.a. im Club "Warehouse" in Chicago,
sowie in New York zu suchen sind.Die 80er sind voller wegweisender
Höhepunkte für den jungen Techno-Sound: 1985 wird das Kultlabel Trax
Records gegründet, Juan Atkins produziert unter dem Pseudonym Modell
500 die erste Technoplatte, die auch aus heutiger Sicht noch nach
Techno klingt mit dem Namen "No UFOs", 1984 eröffnet Deutschlands
erste Diskothek, die ausschließlich auf elektronische Musik
spezialisiert ist in Frankfurt: Technoclub. Aus Acid House entwickelt
sich Deep House, Steve "Silk" Hurley releast "Jack Your Body", Sven
Väth produziert mit seinem Projekt OFF das Stück "Electrica Salsa",
das zu einem Clubhit in Europa wird und der Berliner DJ und Produzent
Westbam etabliert das Plattenmixen als Kunst, durch die aus
verschiedenen Stücken ein Klangteppich ohne Übergänge und
Unterbrechungen gewebt wird.

Noch Anfang der 1990er suchte man im bereits vielseitigen Techno-Sound
vergebens nach all den Kategorien und Einteilungen, nach denen die
Musik heutzutage sortiert wird. Es gab einen großen Dancefloor und die
meist zwei DJs spielten sich über den Abend durch verschiedene
Facetten der Techno-Musik. Mit der Loveparade und der Mayday tauchte
ein neues Party-Konzept auf: Die Spielzeit jedes DJs wurde begrenzt,
damit möglichst viele das Line-Up bereicherten. Techno wurde im
Großformat zelebriert. Diese Veranstaltungen, sowie diverse Magazine
und Fanzines führten zur Popularisierung und Kommerzialisierung von
elektronischer Musik. Es entwickelte sich eine unglaubliche
Stilvielfalt in Europa, die sich ständig ausdifferenzierte und
weiterentwickelte - Techno war zu einer mächtigen Bewegung geworden.
In den USA hingegen blieb die Szene im Untergrund und ihren
klanglichen Wurzeln treu (Underground Resistance). Da der musikalische
Erfolg in Europa größer war, siedelten einige Künstler hierher, Jeff
Mills beispielsweise nach Berlin.Auch ein Kind der 90er Jahre ist
Minimal Techno, den vor allem Robert Hood mit dem Album ?Minimal
Nation?, Terrence Dixon mit seinem Label Utensil Records sowie der aus
Oxfordshire/Ontario stammende Richie Hawtin prägten.

In Leipzig gab es Anfang der 90er Jahre noch keine Möglichkeit, Techno
zu hören und zu feiern. Doch dann dachte sich eine Gruppe junger
Menschen um Steffen Kache, die regelmäßig Marushas Liveradioshow
Dancehall auf DT64 hörte und am Wochenende nach Berlin fuhr, um in
Club wie Planet und Tresor Party machte: Das können wir auch. Man
trieb eine eine alte leerstehende Brauerei auf, organisierte ein
Notstromaggregat und los gings. Illegal wurde zweieinhalb Jahre ohne
Mietvertrag und Gaststättenerlaubnis Techno gespielt und gefeiert.
Keiner glaubte damals, dass diese Geschichte 17 Jahre und länger gehen
würde.

Doch was man damals nicht glaubte, wird heute schon gefeiert: 17 Jahre
Distillery und 20 Jahre Techno. Wir haben das zum Anlass genommen,
Microglobe aka Mijk van Dijk einzuladen. Mijk van Dijk war dabei, als
Techno erfunden wurde. Und er erfand Techno. In Berlin war er einer
jener Protagonisten, die den Sound auf den Weg brachten - bereits Ende
der 80er und Anfang der 90er Jahre als Journalist, DJ und
spektakulärer Live-Act. Mit DJ Tanith, den wir ihm auch heute Abend
zur Seite stellen, und als "LoopZone" produzierte Mijk van Dijk einige
der schnellsten und härtesten Techno-Tracks. Mit Cosmic Baby releaste
er "Tranceformed From Beyond" für MFS-Records, die wohl erste
sogenannte Trance/ Chillout-Compilation. Er wurde zum Pionier dieses
neuen Sounds. Und während manche Techno als völlig unpolitische
Partymusik empfanden, thematisierte Mijk van Dijk bereits in den
Texten für sein erstes Album ?Afreuropamericasiaustralica?
Umweltschutz, globale Erwärmung, und die Ursachen von Spannungen
zwischen Kulturen und Religionen. Als einer der Haupt-Acts des
legendären Hamburger Labels Superstition schrieb er dessen letztes
Kapitel, indem er 10 Jahre Back-Katalog in einen atemberaubenden
Bastard-Pop-Techno-Mix bannte, "Decade", die letzte
Superstition-Veröffentlichung 2003. Zur Zeit kollaboriert Mijk mit DJ
Hell und ist Mitglied der Gigolo-Records-Crew.

DJ Tanith war zwischen 1990 und 1996 DER populärste deutsche Techno-DJ
und als Headliner auf fast allen großen Raves von Mayday über
Loveparade bis Nature One. Zudem war er der DJ der ersten Stunde im
"Tresor", "Technostorm" und auf den "Tekknozid"-Parties. 1997 gründete
er das Breakbeatlabel Timing Recordings. Bis heute ist er als DJ aktiv
und beliebt.

Der lokale Support auf dem oberen Floor kommt von den Urgesteinen
Markus Welby und Josh. Mit Sicherheit werden in dieser
Viererkonstellation auf dem oberen Floor nicht nur an der Bar, sondern
v.a. an den Turntables und live (im Falle von Mijk van Dijk) all die
schönen alten musikalischen Geschichte aus der Zeit von 1989 bis 1990
ausgepackt. Nostalgische Freudentänze wären da nur eine logische
Konsequenz.

Auf dem unteren Floor wird ein großer
Distillery-Resident-MixUp-Lieblingsplatten-Zirkus stattfinden.
Voraussichtlich 0 Uhr gibt es im Keller eine Auslosung von Zweierteams
unter allen Residents der Distillery, die dann ihre Lieblingsplatten
von früher bis in die Gegenwart kreisen lassen.

Wer endlich einmal mehr über die Geschichte der Distillery, ihre
Anfänge und Lichtmomente wissen will, der kann von 22 bis 23 Uhr einen
Film über den Club von 1992 bis 2002 im Club sehen. Auch die
Dekoration und Videoanimationen werden an die Geschichte der
Distillery erinnern.

Damit das Ende dieser besonderen Nacht möglichst lange hinausgezögert
wird, mündet das Fest in einer Afterhour mit Daniel Stefanik, Steffen
Bennemann und Joern Kleinschmager.

Mehr Infos unter: http://www.distillery.de
Eintrag vom: 24.09.2009


iRepair Bremerhaven Skyscraper