Loveparade endet im Unglück - 18 Menschen sterben

Bei der Loveparade in Duisburg kommen bei einer Massenpanik mindestens 18 Menschen ums Leben. Dutzende Menschen werden verletzt. Augenzeugen berichten, sie hätten die Polizei vor einer Panik gewarnt. Loveparade-Erfinder Dr. Motte gibt den Veranstaltern die Schuld an der Katastrophe. Er spricht von einem "krassen Management-Fehler". Die Stadt verteidigt ihr Konzept. Bundespräsident Wulff fordert eine vollständige Aufklärung des Unglücks.

Mindestens 18 Tote und rund 80 Verletzte: Die Loveparade in Duisburg endete in einer Katastrophe. Am Nachmittag war es zu einer Massenpanik gekommen, nachdem sich Tausende Menschen in einem Tunnel vor dem Veranstaltungsgelände nach Augenzeugen-Berichten "wie in einem Hexenkessel" gestaut hatten. Bundespräsident Christian Wulff forderte eine rückhaltlose Aufklärung der Tragödie. Bundeskanzlerin Angela Merkel und viele weitere Politiker zeigten sich geschockt. Schon vor der Katastrophe hatten Raver die Polizei vor einem Nadelöhr beim zentralen Zugang gewarnt. Die Polizei schaltete eine Info-Telefonnummer, unter der sich Angehörige von Opfern informieren können: 0203/94000.

Unter dem Motto "The Art of Love" hatten ab 14.00 Uhr rund 1,4 Millionen Technofans auf dem Musikfest gefeiert und getanzt, das erstmals auf einem abgeschlossenen alten Bahngelände stattfand. Gegen 17.00 Uhr staute sich vor dem eingezäunten Gelände noch der Besucherstrom, doch andere Teilnehmer wollten bereits nach Hause. Im Tunnel kam es dann zu einem extremen Gedränge, das schließlich in der Panik mündete.
Menschen stürzen von Treppe

In dem Tunnel spielten sich dramatische Szenen ab. "Überall lagen Menschen auf dem Boden herum. So stelle ich mir Krieg vor", sagte ein Augenzeuge dem Nachrichtensender n-tv. Rettungskräfte versuchten Menschen zu reanimieren. Notfallseelsorger kümmerten sich um geschockte Menschen. Nach Polizeiangaben starben 16 Menschen am Unglücksort, zwei weitere Menschen erlagen ihren Verletzungen im Krankenhaus.

Nach Angaben der Polizei ist die Massenpanik durch Stürze von einer gesperrten Treppe ausgelöst worden. Im Tunnel und im weiteren Bereich vor dem Eingang zum Gelände hätten sich die Massen gestaut. Daraufhin hätten Besucher versucht, über eine gesperrte schmale Nottreppe zum Gelände hochzusteigen, andere seien über ein leiterartiges Lautsprechergerüst geklettert.

Einige der Kletterer seien auf die Massen abgestürzt und hätten die Panik ausgelöst, sagte der Polizeisprecher. Die Menschen hätten sich nicht schnell genug auf dem Gelände verteilt. Der alte Güterbahnhof sei dabei noch nicht voll gewesen. Die Polizei sprach von einigen Hunderttausend Besucher der Loveparade. Die von Veranstalter und Stadt genannte Zahl von 1,4 Millionen Menschen bezeichnete die Polizei als zu hoch gegriffen. Inzwischen läuft die Veranstaltung langsam aus.
"Das ist ein Skandal"

Der Erfinder der Loveparade, Dr. Motte, gab den Veranstaltern die Schuld für die Katastrophe: "Die haben einen krassen Management-Fehler begangen. Wie kann man denn Menschen nur durch einen einzigen Zugang auf das Gelände lassen. Das ist ein Skandal", sagte der DJ dem "Berliner Kurier". Für ihn sei die Frage nach der Verantwortung klar. "Die Veranstalter sind schuld!" Sie hätten aus "reiner Profitgier" gehandelt. "Die haben doch gewusst, dass es voll wird. Was also haben Zäune und Security da zu suchen? Bei nur einem Zugang." Die Katastrophe sei "einfach schrecklich", sagte Dr. Motte.

Die Veranstalter der Loveparade sprachen auf der Webseite der Technoparty den Angehörigen der Opfer ihr Beileid aus. "Unser Anliegen, ein fröhliches Miteinander von Menschen durchzuführen, ist heute von den tragischen Unglücksfällen überschattet worden", hieß es auf der Website. "Unser aufrichtiges Beileid gilt allen Angehörigen und unsere Gedanken sind bei denjenigen, die derzeit noch versorgt werden müssen."

Stadt verteidigt Konzept

Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland betonte, dass die Stadt "mit dem Veranstalter und allen beteiligten Partnern ein stichhaltiges Sicherheitskonzept" hatte. Es werde Ermittlungen geben, um den genauen Hergang zu klären, teilte Sauerland mit. Auch der Panikforscher Michael Schreckenberg verteidigte das Sicherheitskonzept, an dem er selbst beteiligt war. Der Tunnel, in dem es zur Massenpanik gekommen war, sei groß genug ausgelegt gewesen, sagte der Professor im WDR. Und der Tunnel sei mehrfach gesperrt worden, wenn zu viele Menschen in ihn hineingedrängt seien.

Nach Angaben des Experten waren bei der Erstellung des Konzepts viele mögliche Notfälle durchgespielt worden. Es gebe aber immer Menschen, die sich nicht an die Spielregeln hielten. Laut Schreckenberg hatten kurz vor dem Unglück einzelne Jugendliche ein Gitter überrannt und waren eine ungesicherte Treppe hochgelaufen. Einige von ihnen seien dann von der Treppe aus einer Höhe von acht bis zehn Metern nach unten gestürzt. Dass "Menschen von oben herunterfallen" sei ein Fall gewesen, der überhaupt nicht in dem Sicherheitsplan vorgesehen gewesen sei, betonte Schreckenberg.
"Der Tunnel ließ keine Fluchträume zu"

Mehr als eine halbe Stunde vor der Massenpanik hatten Augenzeugen nach eigenen Angaben die Polizei vor der Gefahr gewarnt. "Meine Freundin und ich haben schon kaum mehr Luft mehr bekommen und haben die Ellbogen ausgefahren, um noch wegzukommen", sagte der 21-jährige Raver Fabio. "Anschließend haben wir die Polizei alarmiert und gesagt, dass es im Tunnel gleich zur Massenpanik kommen wird." Passiert sei aber erst einmal nichts.

Ein anderer Augenzeuge kritisierte bei n-tv, die Veranstalter seien vermutlich nicht richtig auf die Menschenmassen vorbereitet gewesen. "Das war programmiertes Chaos." Das Gelände sei wegen Überfüllung abgesperrt gewesen, und von hinten hätten durch den Tunnel die Massen gedrückt, sagte er: "Der Tunnel ließ keine Fluchträume zu."

Trotz des tragischen Geschehens lief das Musikspektakel zunächst weiter, um eine mögliche neuerliche Panik zu verhindern. Die Notausgänge des Geländes wurden aber geöffnet. Die Polizei sperrte zwischenzeitlich den Hauptbahnhof, weil viele Menschen in Panik auf die Gleise in der Nähe des Loveparade-Geländes ausgewichen waren. Auch die A59 wurde für den Verkehr gesperrt, um die Rettungskräfte über die Autobahn zu leiten und Verletzte in Zelten zu versorgen.
"Ursachen rückhaltlos aufklären"

Bundespräsident Wulff reagierte mit großer Bestürzung auf die Tragödie: "Eine solche Katastrophe, die während eines friedlichen Festes fröhlicher junger Menschen aus vielen Ländern Tod, Leid und Schmerz verursacht, ist furchtbar", sagte das Staatsoberhaupt. Er hoffe, dass den Angehörigen und allen Verletzten schnelle und wirksame Hilfe zuteilwerde "und die Ursachen rückhaltlos aufgeklärt werden". Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft zeigten sich geschockt.

Die Loveparade unter dem Motto "The Art Of Love" gilt als eine der wichtigsten und größten Veranstaltung zur "Ruhr.2010" im Kulturhauptstadtjahr. Die Raver-Parade war 1989 in Berlin von Dr. Motte gegründet worden. Weil die Party seiner Ansicht nach zur "Dauerwerbesendung" verkam, zog sich der Berliner aber 2006 aus dem Organisationsteam zurück. 2007 zog die Veranstaltung ins Ruhrgebiet. 2009 hatte die Stadt Bochum kein geeignetes Gelände gefunden und die Loveparade auch aus Sicherheitsbedenken abgesagt. In Duisburg fand sie erstmals auf einem abgeschlossenen alten Bahngelände mit nur 15 Floats statt. Im Sommer 2011 soll die Loveparade in Gelsenkirchen Station machen.

Quelle: http://www.n-tv.de/panorama/Tote-und-Verletzte-bei-der-Loveparade-article1127116.html
Eintrag vom: 25.07.2010


iRepair Bremerhaven Skyscraper